WIE gehst du?
Ja, du hast richtig gelesen – WIE gehst du? Sicherlich ist dir die Frage „Wie geht´s dir“ oder „wohin gehst du?“ vertrauter... Aber dieses Mal geht es um WIE gehst du.
Anfang des Jahres war ich am wunderschönen Hermosa Beach in Los Angeles, California, am Pazifik spazieren. Eigentlich ganz untypisch für mich, denn normalerweise zieht es mich in die Berge und nicht ans Meer. Aber dieses Mal hat mich etwas magisch dorthin gezogen. Also bin ich in den Bus gestiegen und schon 10 min später am Strand ausgestiegen, der typische Salzwasserduft dringt in meine Nase und das vertraute Möwengeschrei erreicht meine Ohren. Ich mache mich auf den Weg, ein kleiner (leider) geteerter walkway entlang des Pazifiks, der in 2 Spuren eingeteilt ist, eine für die Biker, eine für die Fußgänger. Warst du schon einmal in Kalifornien? Die Zeit dort tickt definitiv anders, es ist ein anderer Lebensrhythmus hier. Kein Vergleich zur Ostküste wie z.B. New York. Als ich dort das erste Mal war, bin ich fast erschrocken, wie schnell die Menschen in New York durch´s Leben rennen. Ja, du hast richtig gelesen: sie rennen durchs Leben. Im Laufschritt mit dem Aktenkoffer unter dem Arm auf dem sidewalk entlang, die Autos hupen und sobald es zum Stillstand kommt, hupen sie noch mehr. Innehalten unerwünscht. Time is money. Welch Gegensatz, als ich das erste Mal an der Westküste, in Kalifornien, war. Ok, hier ist von Haus aus alles weitläufiger und mehr Platz. Jedoch war ich sehr verwundert, als ich einst die Straße (und die sind in Kalifornien nicht selten 6-8 spurig) überqueren wollte, brav am Straßenrand wartete, bis die Autos vorbei waren und dann nicht plötzlich ein Auto angehalten hat, um mich die Straße überqueren zu lassen. Huch, was war da los? In New York unvorstellbar. Welch Zeitverlust! Hatte sich der Fahrer gar geirrt, war ihm evtl. etwas zugestoßen? Nein, er lächelte mich an und wartete in kalifornischer Seelenruhe, bis ich gequert hatte. Wow, wirklich amazing nach meiner Erfahrung an der Ostküste. Aber zurück zum schönen Spazierweg am Pazifik. Wie ich da so entlanggehe, beobachte ich die vielen Menschen dort am Strand: junge Studenten, die Beachvolleyball spielen, Fahrradfahrer, Spaziergänger, Inlineskater, alle paar hundert Meter so ein typisches Baywatch-Wachhäusl mit dem berühmten roten Board (Pamela Anderson!) an der Wand. Die Retter? Naja, kein David Hasselhoff in seinen besten Jahren, aber nicht von schlechten Eltern.... Junge Familien, die grillen oder sich sonst wie häuslich eingerichtet haben am Strand, man merkt, dass sie vorhaben heute hier länger zu verweilen. Wohin mein Auge sieht braungebrannte und oft durchtrainierte Menschen, so typisch kalifornisch eben, ein Klischee scheint erfüllt. Ich muss schmunzeln, als ein junges Pärchen an mir vorbeiradelt mit einem Liegestuhl als Rucksack. Also so ein Ding, eine echte Strandliege, die man so klappen und umhängen kann, dass sie sich wunderbar trägt, wie ein Rucksack eben. Echt witzig, habe ich in Deutschland noch nie gesehen. Alles ist hier wirklich sehr relaxed und gechilled, ja schon fast eine ausgeglichene Atmosphäre. Und als mir – auch typisch für die Gegend – ein braungebrannter Beachboy mittleren Alters mit einer echt knackigen Figur entgegenkommt, ganz lässig sein Surfbrett unter den Arm geklemmt, und in einem wahnsinnig coolen und entspannten Schritt, da wird mir schlagartig bewusst: ich haste, ja ich renne fast, am Strand entlang. Meine Schritte sind unglaublich groß und unglaublich schnell – so als ob es etwas zu erreichen gäbe. Und als ich diesen überaus lässigen dahin schlendernden Beachboy sehe, wird mir das schlagartig bewusst, in was für einem Tempo ich unterwegs bin. Sofort verlangsamt sich mein Tempo in diesem Moment, von eilig hastend zu genussvoll vor sich hinschlendernd. Und ich spüre, wie gut das tut. Einen Gang runterfahren. Langsamer werden. Aaah, es fühlt sich wunderbar an. Ich muss innerlich schmunzeln über mich, mich bei diesem Tempo „ertappt“ zu haben. So schlendere ich noch einige Zeit am Stand entlang, lasse mich an einem schönen Plätzchen nieder und lausche ein wenig den Wellen. Wie laut doch das Meer im Vergleich zu den Bergen ist. Ist dir das schon einmal aufgefallen? Die Woche zuvor noch war ich in einem ganz einsamen Tal in den Dolomiten, dort wo absolute Stille herrschte. Da mutet mir dieses Wellenrauschen hier am Pazifik doch fast wie Lärm an. Langsam schlendere ich zurück zur Bushaltestelle, ich werde müde, ob wohl es local time erst 15 Uhr – 9 h Zeitunterschied machen sich dann doch bemerkbar. Ich fahre zurück ins Hotel und lege mich schlafen, träume schon schlendernden Beachboys und langsamen Schritten. Und WIE gehst DU? Vielleicht magst du dich das nächste Mal beobachten, wenn du unterWEGs bist: in die Arbeit, durch den Park, von A nach B, zum Bäcker. Gehst du schnell, gehst du langsam, nimmst du dir Zeit oder hastest du? Man sagt, man erkennt am Gang eines Menschen ein Stück weit seine Persönlichkeit. Ob das stimmt? Vielleicht stellst du auch fest, wie schnell du unterwegs bist. Dann probiere es doch mal mit ein wenig mehr Langsamkeit. Es tut soooo gut.